MLTech spricht mit Bayerischem Justizminister – ein Meilenstein für die Förderung der studentischen Bildung im Bereich Digitalisierung und Legal Tech

Allgemein-Legal Tech-MLTech Updates

[vc_row][vc_column][vc_column_text]verfasst von Deborah Straub und Victoria Harbers

 

Am 18. März 2021 hatten wir die Möglichkeit, unseren Verein MLTech dem Bayerischen Justizminister Georg Eisenreich vorzustellen und über die Implementierung neuer Inhalte im Bereich Legal Tech und Digitalisierung im Studium und Referendariat sowie einer zukunftsfähigen Justiz zu sprechen. Ein Meilenstein in der Geschichte unseres Vereines, der sich seit 2017 in den Bereichen Legal Tech und Digitalisierung engagiert.

Vor seiner Ernennung zum bayerischen Justizminister 2018 war Georg Eisenreich bayerischer Staatsminister für Europa, Digitales und Medien. Bei ihm stießen unsere Anliegen daher auf offene Ohren, sodass ein spannender Austausch zustande kam und wir uns auf eine weitere Zusammenarbeit sehr freuen.

Ebenfalls bei dem Gespräch dabei waren der Leiter der Stabstelle Legal Tech und Netzpolitik im Justizministerium sowie diverse Referatsleiter*innen.

 

Die klassische Juristenlaufbahn: Studium, Referendariat und Praxis

 

Im Vorfeld des Gespräches hieß es für uns, unsere Anliegen kompakt und präzise zusammenzufassen. Wichtig war uns dabei auch die tatsächliche Umsetzbarkeit stets im Auge zu behalten. Als Unterteilung dienten uns hier die drei Abschnitte einer klassischen Juristenlaufbahn: Studium, Referendariat und Praxis.

 

Als studentischer Verein liegt der Schwerpunkt unseres Engagements hauptsächlich im Bereich des Studiums. Dabei zielen alle unsere Vorschläge darauf ab, eine zeitgemäße digitale juristische Lehre zu schaffen und damit zukunftsfähige Jurist*innen auszubilden.

Gerade die Covid-19-Pandemie hat dazu geführt, dass die universitäre Ausbildung einen großen Schritt in Richtung Digitalisierung gehen musste. Wir möchten, dass diese neugeschaffenen digitalen Rahmenbedingungen neben dem traditionellen universitären Betrieb auch in Zukunft erhalten bleiben und weiter ausgebaut werden. Das Arbeiten mit digitalen Bibliotheken und Gesetzestexten soll zur Norm werden und es muss die Möglichkeit geschaffen werden, Klausuren und die Examina am Laptop, mit Zugang zu digitalen Gesetzestexten, zu schreiben.

Außerdem soll die juristische Ausbildung aktuelle rechtliche Entwicklungen im Bereich Legal Tech berücksichtigen und beinhalten. Im Konkreten heißt dies, dass die neuesten Entwicklungen in der Rechtsprechung bezüglich der Digitalisierung in den AGs und Tutorien behandelt werden.

Interessierten Student*innen soll die Arbeit mit Legal Tech Tools in der Zukunft erleichtert werden, indem Programmierkurse und weitere Tech-bezogene Inhalte angeboten werden. Kurse wie „Grundlagen IT & Recht“ oder „Cyberstrafrecht“ des Rechtsinformatikzentrums der LMU können hier beispielshaft genannt werden.

Grundlagenseminare, Schwerpunktbereiche und freischussverlängernde Kurse gemäß § 37 II 1 Nr. 3a JAPO im Bereich Legal Tech stellen zudem eine gute Möglichkeit dar, um den interessierten Studierenden die Qual der Wahl zwischen interessanten Ergänzungsveranstaltungen und dem ohnehin schon extremen Mengen an Pflichtveranstaltungen zu nehmen.

Damit unsere Vorschläge tatsächlich Fuß fassen, fordern wir konkrete Änderungsvorschläge in den §§ 18, 23 JAPO, die die digitale Entwicklung aufgreifen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bei all unseren Überlegungen im Vordergrund steht, Student*innen das Leben nicht etwa schwerer zu machen, indem noch mehr Stoff zum Pflichtstoff gemacht wird. Stattdessen soll nachhaltig das Leben verbessert werden, indem wir auf die Zukunft vorbereitet werden und die unumgängliche Auseinandersetzung mit der Digitalisierung und ihren Folgen bereits in die universitäre Lehre integriert wird.

 

Auch unsere Vorschläge im Bereich des Referendariats sind durch die Erkenntnisse aus der Covid-19-Pandemie beeinflusst. Diese hat aufgezeigt, dass in der Praxis leider häufig vor einer Verhandlung durch Bild- und Tonübertragung gemäß § 128a ZPO zurückgeschreckt wird. Um den Rechtsreferendar*innen die Berührungsängste diesbezüglich zu nehmen, schlagen wir einen mock trial zum Kennenlernen der Videoverhandlung vor.

Zudem sollte für die Referendar*innen die Möglichkeit geschaffen werden, eine Zusatzqualifikation im Bereich Legal Tech und/oder Entrepreneurship zu erlangen. Dafür wäre an eine Kooperation mit UnternehmerTUM und dem Entrepreneurship Center LMU zu denken.

Außerdem wünschen wir uns die Option, ein Pflichtwahlpraktikum im Bereich Legal Tech zu absolvieren. Dieses könnte dann explizit in einem Legal Tech Unternehmen erfolgen. Als weitere Möglichkeit könnte die Ausbildung in einem Product Studio erfolgen, in welchem die Referendar*innen mit anderen Berufsgruppen (Informatik, BWL, Design etc.) ein Produkt entwickeln und sich mit den entstehenden juristischen Problemen auseinandersetzen. Hier böte sich eine mögliche Partnerschaft mit dem Hasso-Plattner-Institut für die bayerische Referendarausbildung an. Ein solches Ausbildungsprogramm wäre einzigartig und würde die Ausbildung in Bayern als Vorreiter hervorstechen lassen.

 

Im Bereich der Praxis müssen sowohl in der ZPO als auch in der StPO Änderungen vorgenommen werden, welche die Modernisierung und Digitalisierung von Verfahren ermöglichen. Diese Gesetzesänderungen müssen jedoch auf Bundesebene geschehen.

Daneben ist uns besonders wichtig, die Justiz für die nachwachsenden Generationen an Jurist*innen attraktiver und effektiver zu gestalten. Neben einer konkurrenzfähigen Vergütung gehört hierzu eine angemessene und moderne Ausgestaltung der Arbeitsumgebung. Wir sind der Meinung, dass heutzutage jede*r Grundkenntnisse der EDV haben und diese beherrschen muss. Darüber hinaus sollte es beispielsweise Fortbildungen geben, welche technische Themen beinhalten und deren Teilnahme sich positiv (z.B. durch Honorierung, Urlaubstage, Arbeitszeit, etc.) auf den Teilnehmenden auswirkt.

Dabei müssen auch immer die aktuellen technischen Möglichkeiten genutzt werden können, um ein effektives Arbeiten zu ermöglichen. Hierzu gehört derzeit die Automatisierung repetitiver Prozesse, sowie eine automatische Zuständigkeitsprüfung. Wenn für die Jurist*innen diese einfältigen Arbeitsschritte wegfielen, könnte er sich auf die relevanten juristischen Probleme konzentrieren und diese auf einem höheren Niveau lösen.

Um effektiv und qualitativ hochwertig arbeiten zu können, sollte es verpflichtende Schulungen im Umgang mit digitalen Gesetzen, Kommentaren etc. geben, welche eine gut nutzbare, ansprechende Benutzeroberfläche Aufweisen sollten. Zudem sollte das Arbeitsumfeld modern und auf dem aktuellen Stand der Technik sein.

 

 

„IT muss funktionieren– Georg Eisenreich, Bayerischer Staatsminister der Justiz

 

Im Rahmen unseres Gespräches stellte Georg Eisenreich uns zunächst vor, was durch sein Ministerium bereits im Bereich Digitalisierung gemacht wird. Dabei machte er zunächst die essenzielle Bedeutung des Bereiches IT deutlich. In seinen Worten stellte er klar: „IT muss funktionieren“. Denn unabhängig von weitergehenden und komplexeren Legal Tech Themen sei eine funktionierende IT die Basis für Kommunikation, Datenerhebung und -speicherung und die Organisation eines effektiven Staates. Um dem Stellenwert der Digitalisierung gerecht zu werden, werde daher im bayerischen Justizministerium nun eine eigene Digitalisierungsabteilung eingerichtet, denn nur so sei es möglich, immer auf der Höhe der Zeit zu bleiben.

Auch für die Bürger*innen ergäben sich durch die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse Vorteile. Der Zugang zum Recht für die Bürger*innen werde zukünftig durch technische Verfahren ermöglicht und erleichtert. Ein müßiger Gang zum Amt als Voraussetzung für das Verwaltungsverfahren könnte somit bald der Vergangenheit angehören. (Stichwort Bürgernähe, Effizienz)

Ebenfalls werde die Kommunikation zwischen Behörden und Gerichten zunehmend digitalisiert.Mittlerweile ist bei allen bayerischen Gerichten die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs abgeschlossen.Auch die Einführung der E-Akte werde intensiv vorangetrieben. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen erfolgreichen Pilotierung der E-Akte bei drei Landgerichten und zwei Amtsgerichten sei geplant, ab Mitte des Jahres mit der Regeleinführung der E-Akte zu beginnen.

 

 

„Deutschland muss Tempo machen“– Georg Eisenreich, Bayerischer Staatsminister der Justiz

 

Um eine umfassende Möglichkeit der Video-Vernehmung zu gewährleisten, werden Ende Juni alle 99 bayerischen Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit Videokonferenzanlagen ausgestattet. Außerdem wird nach einer erfolgreichen Pilotphase der Einsatz von Microsoft Teams für Video-Verhandlungen nun bayernweit freigegeben.

Aufgrund der Ergebnisse der OLG Arbeitsgruppe „Modernisierung des Zivilprozesses“ hat sich die Justizministerkonferenz 2020 auf Initiative Bayern dafür ausgesprochen, dass das Bundesjustizministerium eine Kommission zu dem Reformvorhaben einsetzen soll.

Trotzdem gestand Georg Eisenreich, dass die Digitalisierung ein langer dynamischer Weg sei, bei dem gerade der Weg das Ziel bestimme. Deutschland müsse bei dem Thema Digitalisierung Tempo machen, um nicht von anderen Ländern überholt und abgehängt zu werden.

 

Zur Erneuerung des Studiums sind auch die Universitäten sind gefordert

 

Herr Eisenreich versicherte uns, dass hinsichtlich der Digitalisierung der juristischen Ausbildung unsere Forderungen und Wünsche zum Anlass genommen würden, sich im Ministerium noch mal intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Der Staatsminister machte aber auch deutlich, dass sein Ministerium nur begrenzt Einfluss auf die universitäre Lehre habe. Die Lehrfreiheit ist nach Art. 108 BV, Art. 3 III BayHSchG und grundgesetzlich in Art. 5 III GG geschützt.  Rechtliche Vorgaben zum Studium seien nur über die prüfungsrechtlichen Regelungen in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO) möglich. Inhalte des Studiums müssten außerdem in Zusammenarbeit mit den bayerischen Universitäten abgestimmt werden, um für beide Seiten ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen. Außerdem müsse die Materie der Rechtswissenschaft im Studium stets Vorrang haben, sodass neben der Frage des richtigen Zeitpunktes im Verlauf des Studiums auch der Umfang und die Integration digitaler Themen gut überlegt sein sollte. Er verwies hier auch auf bereits existierende Zusatzangebote wie beispielsweise das Zusatzstudium für Informatik und Digitalisierung für Juristinnen und Juristen (DigiZ) an der Universität Bayreuth.

Ob eine baldige Änderung der bayerischen Justizprüfungsordnung (JAPO) zu erwarten sei, um dem Thema der Digitalisierung mehr Gewicht zu geben und unter Umständen die Möglichkeit eines elektronischen ersten Staatsexamens zu schaffen, sei noch nicht geklärt. Über eine mögliche Änderung sei man jedoch bereits im Austausch mit den Dekanen bayerischen juristischen Fakultäten.

Anders gestaltet sich die Situation im Rechtsreferendariat. Hier ist der Freistaat Bayern für die Organisation und Durchführung verantwortlich. Deshalb sei bereits beschlossen, dass voraussichtlich 2023/2024 die Möglichkeit des zweiten Staatsexamens in elektronischer Form eingeführt wird. Im Referendariat sollen hierfür entsprechende Übungsmöglichkeiten geschaffen werden.

 

 

Deutsches Mindset muss sich ändern

 

Zum Ende des Gespräches beschäftigte uns dann vor allem eine Frage:

Wie viel Fortschritt auf dem Gebiet der Digitalisierung entwickelt sich „von selbst“ und was muss durch staatliche Akte insbesondere auch durch Rechtsakte „von oben“ vorgegeben werden? Schnell kam dabei der Gedanke auf, dass sich aufgrund der Schnelllebigkeit des digitalen Zeitalters vor allem das deutsche Mindset ändern müsse. Der deutsche Perfektionismus, der in der Vergangenheit zu geschichtsträchtigen Innovationen und einer der weltweit stärksten Volkswirtschaften geführt hat, tue sich heute manchmal schwer mit dem Tempo der Entwicklung in der digitalen Welt.

Voraussetzung für dieses neue Mindset ist unserer Meinung nach aber gerade das Bewusstsein der enormen Relevanz der Themen Digitalisierung und Technologie. Dabei gibt es keinen besseren Zeitpunkt als die schulische und universitäre Ausbildung, um dieses Bewusstsein zu schaffen und anschließend das Erlernen des effektiven Umganges und die Implementierung neuer Technologien in alltägliche Prozesse zu ermöglichen.

 

„Investment in knowledge pays the best interest.”– Benjamin Franklin

 

Wir möchten uns bei dem Bayerischen Justizminister Georg Eisenreich für das ausführliche und sehr informative Gespräch bedanken und freuen uns, dass wir in Georg Eisenreich einen engagierten und zielorientierten Partner für die Erreichung unsere Ziele im Bereich Digitalisierung und Legal Tech gefunden haben. Über einen solch engagierten Bayerischen Justizminister, welcher ein Bewusstsein für die Probleme in den Bereichen Studium, Referendariat und Praxis hat, freuen wir uns sehr.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]über die Autorinnen

Deborah ist Rechtsreferendarin am Oberlandesgericht München. Ihr Studium hat sie an der LMU absolviert und ist seit 2019 Mitglied bei MLTech. Ihr Engagement gilt besonders der Förderung zukunftsorientiertem und interdisziplinärerem Denken in der juristischen Ausbildung und Praxis. Ihre Leidenschaften für Reisen, Wandern und Angloamerika vereinte sie zuletzt im Wege eines Roadtrips an der Westküste der USA mit Halt im Yosemite-Nationalpark.

 

Victoria studiert derzeit im vierten Semester Jura an der LMU. Neben ihrer Tätigkeit als Mentorin engagiert sie bei MLTech. Derzeit ist sie „Head of  Blog“. Besonders interessiert ist sie daran den Beruf des Juristen zeitgemäß und zukunftsorientiert mitzugestalten. In ihrer Freizeit verbringt sie so viel Zeit wie möglich in der Natur. Ob Segeln, Wandern oder Bogenschießen, wann immer möglich ist sie in Begleitung ihres treuen Hundes.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

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