Notice: Undefined index: post_type in /mnt/web322/d2/68/59163168/htdocs/ml-tech.org/wp-content/themes/ml-tech/functions.php on line 234 Legal Design. How to innovate Legal? – ein Interview mit Lina Krawietz - MLTech

Unsere MLTech Berlinfahrt liegt jetzt ein paar Wochen zurück. Dabei hatten wir eine ganze Reihe faszinierender Einblicke in die Welt von Legal Tech und Technologie-Regulierung. Am Samstag waren wir dort zu Besuch am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam und durften an einem Legal Design-Workshop mit dem Team von „This Is Legal Design“ teilnehmen. Diese Erfahrung wollen wir Euch nicht vorenthalten, sondern sind der Ansicht, dass sich alle wissensdurstigen und zukunftsorientierten Jurastudenten (Das seid ihr! 😉) mit Legal Design beschäftigen sollten. Um Euch auch einen Einblick zu geben, habe ich mich mit Lina Krawietz von „This Is Legal Design“ zusammengesetzt und über Design Thinking und innovative Juristen gesprochen. Was ich in dem Gespräch alles erfahren konnte, das lest ihr hier!

Über Lina Krawietz: Nach ihrem Jurastudium an der Universität Potsdam, zwei Semestern Design Thinking-Studium am Hasso-Plattner-Institut und einer Station bei SAP in der Software-Innovation arbeitet Lina Krawietz heute bei dem Legal Tech-Unternehmen Lawlift in Berlin. Während ihres Referendariats gründete sie gemeinsam mit Joaquín Santuber, Alisha Andert und Ann-Sophie Mante „This Is Legal Design“. Dort beraten sie Kanzleien, Rechtsabteilungen und andere Organisationen zu Innovation und Legal Design. Daneben verstehen sie sich auch als Think Tank und forschen zu Design Thinking und neuen Innovationsmethoden.

 

Wenn ich Design höre, dann denke ich zuerst an Webdesigner und Grafikdesigner, aber nicht unbedingt an Juristen. Deshalb meine erste Frage, was muss man sich unter Legal Design vorstellen?

Wir bei „This Is Legal Design“ verstehen Design ganz allgemein im Sinne von Gestaltung. Gestalten lässt sich in der Rechtsbranche so gut wie alles, von Dienstleistungen und Produkten über Prozesse und Systeme bis hin zu ganzen Organisationen. Wir Juristen sind es, die diese gestalten. Das heißt, jeder von uns ist für das Design der Rechtsbranche mit verantwortlich. Mit Legal Design vermitteln wir Methoden und Fähigkeiten, die es Juristen ermöglichen bewusst gestalterisch tätig zu werden. Legal Design ermöglicht es, auf eine Art und Weise zu gestalten, die gezielt Nutzer in den Mittelpunkt stellt, Lösungen in einen breiteren Kontext einbettet und dadurch möglichst viel Mehrwert schafft. Das bedeutet, es geht nie nur um die technisch einwandfreie Funktion von etwas, sondern auch um die Interaktion mit einer jeden Lösung und dass dabei menschliche Bedürfnisse erfüllt werden. Dass das, was gestaltet wird, auch wirklich das ist, was konkret gebraucht und gewollt wird. Das ist extrem wichtig, vor allem da sich unsere Gesellschaft durch die sich stetig weiterentwickelnde Technologisierung unserer Welt permanent an neue Arbeitsweisen, Handlungsabläufe und Kommunikationsmuster gewöhnt, an die sich auch die Rechtsbranche fortlaufend anpassen muss. Mandanten erwarten kundenzentrierte, transparente und ganzheitliche Angebote – der juristische Nachwuchs ein modernes Arbeitsumfeld.

 

Traditionellerweise existiert das Bild des Anwalts, der in seiner Kanzlei sitzt, Rechtsprobleme akribisch nach logischen Regeln löst und eigentlich wenig Kreativität bedarf. Passt das in der heutigen Welt einfach nicht mehr?

Es reicht zumindest nicht mehr aus. Juristen sollen unbedingt weiterhin auf logisch-analytische Art und Weise rechtliche Probleme lösen. Sich darüber hinaus beispielsweise auch mit innovativen Arbeitsweisen zu befassen, die Möglichkeiten der Automatisierung durch Legal Tech zu erschließen und die Beziehung zu Mandanten neu zu denken, wird jedoch auf Dauer unumgänglich sein. Das mag zunächst bedeuten, dass dafür einiges an Ressourcen investiert werden muss. Die Kosten des Untätigbleibens wären jedoch langfristig weit höher. Beginnen könnte man damit, alltägliche und besonders redundante Kanzleiarbeit zu automatisieren. Wenn man die Implementierung von Legal Tech richtig angeht und auch hierfür von vornherein – natürlich unter Einbeziehung der zukünftigen Anwender – nutzerfreundliche Konzepte erarbeitet, kann sich die anfängliche Investition schon sehr schnell rentieren. So schafft man sich als Jurist zusätzlichen zeitlichen und gedanklichen Freiraum, sich mit den wirklich spannenden juristischen Fragen auseinanderzusetzen und die Beziehung zu Mandanten, Mitarbeitern und anderen Stakeholdern neu zu denken. Für ganz besonders wichtig halte ich, dass sich Juristen vermehrt mit der Frage auseinandersetzen, wie sich juristische Dienstleistungen so gestalten lassen, dass sie für jedermann verständlicher und einfacher zugänglich sind. Hier sehe ich eine besondere Verantwortung, die wir als Juristen gegenüber der Gesellschaft haben und endlich verstärkt wahrnehmen müssen. Das kann schon bei etwas so Einfachem anfangen wie, dass man Verträge, Formulare, usw. von vornherein so gestaltet, dass der Unterzeichner am Ende auch wirklich weiß, was er da unterschreibt.

 

Brückenqualifikationen zu anderen Fachrichtungen werden für den Juristen von heute immer wichtiger. Eine davon ist das Projektmanagement. Ist Legal Design eine solche Projektmanagementmethode oder was unterscheidet sie davon?

Legal Design Methoden wie Design Thinking enthalten auch Elemente von agilem Projektmanagement, bzw. agilen Methoden. Sie sind genauso nutzerzentriert, iterativ und inkrementell. Legal Design stellt jedoch einen diesen Methoden vorgeschalteten Prozess dar. Bei den meisten agilen Methoden geht es eher um die Umsetzung bzw. um die Optimierung von Lösungen, während es bei Legal Design darum geht, überhaupt erst auf die Lösung zu kommen, die am Ende realisiert werden soll. Legal Design Methoden – und das entsprechende Mindset – versetzen Juristen also in die Lage, immer wieder neue Ideen zu entwickeln und so auf modernen Anforderungen zu entsprechen, wenn nicht gar selbst neue Standards zu setzen. Agiles Projektmanagement bleibt natürlich ein super wichtiges Element bei der Verwirklichung einer jeden Innovation.

 

Gibt es einen Unterschied zwischen Design Thinking und Legal Design?

Legal Design wird häufig mit Design Thinking gleichgesetzt, einem Ansatz zur Förderung von Innovation, der in den 90er Jahren in Stanford entwickelt wurde. Die Design Thinking Methode orientiert sich an dem Erfolgsrezept für ganzheitliches, mensch-zentriertes und funktionales (Produkt-)Design und überträgt es auf komplexe Problemstellungen in Wirtschaft, Forschung, Politik – und neuerdings auch der Rechtsbranche. Design Thinking konzentriert sich also nicht von vornherein auf ein bestimmtes Ergebnis, sondern auf den Prozess, der das bestmögliche, zu Beginn des Prozesses noch offene Ergebnis zutage fördert.

Andere Legal Designer wiederum verstehen Legal Design im Sinne von Informationsdesign, d.h. als visuell zugängliche Aufbereitung und  Illustration juristischer Zusammenhänge, um diese verständlicher zu machen.

Bei This is Legal Design vertreten wir einen deutlich weiteren Legal Design Ansatz. Wir verstehen darunter jede Form von Gestaltung der Rechtsbranche, sodass wir uns über Design Thinking und Visualisierung hinaus mit diversen weiteren Innovationsmethoden, die juristische Gestaltungsprozesse ermöglichen und fördern, auseinandersetzen. Das heißt, wir wenden je nach Kunde und Problemstellung unterschiedlichste Methoden an und forschen auch stets an der Entwicklung neuer Methoden.

 

Warum brauchen wir eine Methode für kreatives Denken? Reicht es nicht, wenn man seine Kreativität intuitiv in seine Arbeit einfließen lässt?

Kreativität ist nicht etwas, mit dem man geboren wird oder nicht. Eigentlich sind wir alle kreativ, es wird uns nur von klein auf abtrainiert. Design Thinking z.B. ist eine Methode, die Kreativität gezielt fördert, indem sie einem bestimmte Schritte und Verhaltensweisen vorgibt, die zu kreativeren Ideen und so zu innovativen Ergebnissen führen. Wie gut man Innovationsmethoden anwenden und für sich nutzen kann, ist im Prinzip Übungssache. Kreativität ist wie ein Muskel, den man trainieren kann. Der Design Thinking Prozess bietet einem einen Rahmen für die Verwirklichung von Innovationvorhaben und bestimmte Schrittfolgen, die es einem erleichtern, in kurzer Zeit Resultate zu sehen. Ohne eine solche vorgegebene Struktur verliert man sich schnell in Diskussionen oder vernachlässigt es, diejenigen, für die etwas designt werden soll, hinreichend einzubeziehen. Kurz: Design Thinking gibt dir klare Schritte vor, die dich in einem vorgegebenen Zeitraum an ein Ziel führen. Man könnte es mit einem Trainingsplan für Kreativität vergleichen.

 

Bei unserem Workshop in Berlin fand ich das Konzept des Time Boxings sehr interessant, dass man sich für die einzelnen Schritte kurze Zeitabschnitte setzt und dann zum nächsten Schritt übergeht.

Ja, das strikte Timing zwingt einen dazu in kurzer Zeit Fortschritte zu machen und verhindert, dass man sich zu lange damit aufhält in Gedanken und auf einem theoretischen Level zu arbeiten. Stattdessen fängt man an zu machen, auszuprobieren und zu experimentieren. Dadurch findest du viel schneller heraus, ob deine Ideen etwas taugen oder nicht. Das Problem ist nämlich, dass Projekte häufig so lange in der Theorie stattfinden, bis man meint die perfekte Lösung gefunden zu haben. Bis dahin ist so viel Zeit und Geld in das Konzept geflossen, dass es sehr schmerzhaft ist, wenn man dann feststellt, das war es doch nicht, weil man am Markt vorbei entwickelt hat.

 

Welches Beispiel juristischer Innovation hat dich bisher am meisten beeindruckt?

Produkte wie Lawlift und Bryter finde ich schon sehr beeindruckend. Aber nach wie vor verläuft die Implementierung von Legal Tech eher schleppend. Ich sehe da die Verantwortung allerdings weniger bei den Entwicklern der Tools. Was noch stattfinden muss, ist ein Umdenken bei Kanzleien und Rechtsabteilungen. Sie müssen realisieren, dass die digitale Transformation ein längerer Prozess ist, der möglicherweise kein Ende hat und besondere Investitionen erfordert. Sie müssen verstehen, dass es nicht das eine Tool gibt, das alle Probleme löst. Dass auch die perfektesten Technologien in bestehende Prozesse und ein menschliches Umfeld integriert werden müssen. Dass das die Technologie selbst nicht erbringen kann, da bei der Implementierung auch sehr analoge Aspekte zu berücksichtigen sind. Das kann keine Technologie für einen übernehmen, da muss man als Kanzlei selbst ran.

 

Aus der Legal Tech-Branche höre ich manchmal, dass das Umdenken bei Anwälten noch recht träge ist und Rechtsabteilungen und Unternehmen schon deutlich weiter sind. Würdest du sagen, dass die anwaltliche Unabhängigkeit insofern vielleicht auch innovationshemmend wirkt?

Ich glaube der Unterschied ist, dass Unternehmen es gewohnt sind, regelmäßig neue Software einzuführen. Die haben das schon hinter sich und wissen wie das geht. Für Kanzleien auf der anderen Seite ist das relativ neu. Die anwaltliche Unabhängigkeit spielt sicher auch eine Rolle. Viele Juristen haben das Gefühl individuell besondere Arbeit zu leisten und dass zum Beispiel ihre Version eines Vertrags im Vergleich zu den Formulierungen ihrer Kollegen ganz besonders gut ist. Dann fällt es schwer, sich auf Standards zu einigen. Ich habe schon mitbekommen, dass innerhalb einer Praxisgruppe einer Großkanzlei die Möglichkeit, dass man sich auf gemeinsame Muster einigt, aus genau diesem Grund kategorisch ausgeschlossen wurde.  Das Problem ist, nur was man standardisiert, kann man auch automatisieren. Ich glaube viele Anwälte identifizieren sich sehr mit ihren althergebrachten Angeboten. Man muss Juristen da etwas Neues an die Hand geben, mit dem sie sich identifizieren können. Wie kann dieses Neue aussehen? Auch hier kommt wieder Legal Design ins Spiel. Auch Juristen haben Bedürfnisse, die berücksichtigt werden wollen.

 

Wie können Studenten Legal Design in ihren Alltag integrieren oder zumindest schon mal damit in Berührung kommen?

Um Legal Designer zu sein, muss man nicht, wie ich, ein Jahr Design Thinking studiert haben. Man lernt dabei natürlich sehr viel, aber man kann sich auch selbstständig mit dem Thema auseinandersetzen. Am wichtigsten ist, dass man das, was man online liest oder sieht, auch praktisch ausprobiert, zum Beispiel, indem man das Gelernte bei Treffen oder Projekten mit Kommilitonen einfach mal testet. Denn nur über diese Erfahrung lernt man wirklich zu verstehen, wie Legal Design funktioniert und worauf es dabei ankommt. Außerdem gibt es nicht den einen Design Thinking- oder Legal Design-Prozess, der immer gleich abläuft. In jeder Phase des Prozesses stehen einem unendlich viele Methoden zur Verfügung, sodass der Prozess je nach Herausforderung und Team durch eine entsprechende Auswahl individuell angepasst werden kann. Mein Tipp:  Ausprobieren, was funktionert!

 

Was macht dir am meisten Spaß an Legal Design?

Auf jeden Fall, gestalterisch tätig sein zu können, nicht nur mit dem Vorgegebenen zu arbeiten, sondern immer einen Schritt weiter zu denken und ein Teil von Fortschritt und Entwicklung zu sein. Darüber hinaus macht es mir großen Spaß andere Leute damit anzustecken!

 

Hier findest du noch interessante Links zum Weiterlesen:

This is Legal Design

Stanford Legal Design Lab

Legal Design Blog “Law by Design” von Margaret Hagan (Stanford)

Kostenloser Open-HPI Design Thinking Online-Kurs (5 Wochen) “Beyond Brockhaus Thinking: With Design Thinking to a Networked Culture”

Event: Legal Design Summit 2019 in Helsinki, Finnland

1-2 Semester Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut studieren (Bewerbungen für WS 2019/20 bis zum 31.07. möglich)

Categories: Allgemein

Über den Autor

Kai Ebert
Kai studiert im 10. Semester Jura an der LMU und hat MLTech im Herbst 2017 mitgegründet. Neben Legal Tech und neuen Technologien ist er auch für Sport aller Art und Reisen in ferne Länder zu begeistern. Wenn sich eine ruhige Minute ergibt, dann liest er auch gerne mal ein gutes Buch - das sogar noch ganz klassisch in Papierform.

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